Page 5 - Olive-Press 8.2013
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 Der Ausflug
  Foto: Helga Meighörner
 Villa di Papiano
In der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts lebte hier die reiche Amerikanerin Mrs. Laura Towne Merrik, die aus gesundheitlichen Gründen ein Haus in dieser Region der Toskana suchte. Sie gestaltete das Gebäude und die Inneneinrichtung nach ihren eigenen Entwürfen. Sie starb unverheiratet um 1910. Seitdem hat niemand ihre Räume bewohnt bzw. verändert.
Wir waren einer Einladung des Deutsch- Italienischen Stammtisches gefolgt und freuten uns auf ein kommunikatives Grillfest.
Wie schon im letzten Jahr hatte sich Luca, der Vereinsvorsitzende, etwas besonderes ausgedacht: die Besichtigung einer historischen Villa auf einer Anhöhe über der Provinzstadt Lamporeggio.
Was genau uns dort erwartete
wussten wir eigentlich nicht, da es
unser spärliches Italienisch nicht
erlaubte, den Ausführungen Lucas
zu folgen. Also trotteten wir
einfach mit... zunächst über
schattige Waldwege bis hinauf zum herrschaftlichen Anwesen.
Die Hausherrin öffnete die riesige
Eingangstür der Villa und machte
mit unmissverständlichen Gesten
deutlich, dass wir uns zügig in das
Haus bewegen mögen, um so
wenig Licht und Frischluft wie nur
irgend möglich in die feucht-kühle Eingangshalle eindringen zu
lassen.
Zu diesem Zeitpunkt wussten Gabriele und ich noch immer nicht, was es eigentlich zu besichtigen galt. Keine beleuchteten Vitrinen, keine Bildergalerie, keine Skulpturen erwarteten uns, sondern „nur“ hoch herrschaftliche Gemächer einer ledigen, sehr reichen, vor 100 Jahren verstorbenen Amerikanerin.
Langsam ergriff uns Faszination und Grusel zugleich... war doch die Inneneinrichtung vollkommen unverändert an ihrem Ort seit 100 Jahren; Bücher, Gläser, Vorhänge unberührt seitdem. Es schien als läge die Signora noch in ihrem Bett, verlassen von längst verstorbenen Bediensteten. Alles hatte unverrückt überdauert... nur die, die hier lebten nicht.
 Foto: Helga Meighörner
Nie hatte uns die kalte Hand des Vergänglichen so ergriffen wie hier zwischen scheinbar unvergänglichen Möbeln und Stoffen, die man sich nicht anzurühren traute.
Wir fühlten uns wie Eindringlinge, denn wir ahnten dass die Räume nicht wirklich „unbewohnt“ waren... wir konnten die Bewohner nicht sehen, nicht hören, aber wir fühlten dass wir sie störten! Also wurde kaum ein Wort gesprochen als sich unsere Besuchergruppe durch die abgedunkelten Räume bewegte... nur wenige trauten sich
zu fotograXieren.
Wahrscheinlich waren alle froh, als wir wieder
draußen waren... im Diesseits und unter Lebenden!
Die Eindrücke hielten uns noch lange in ihrem Bann.
 Zu Gast im Jenseits




































































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